Raus aus der US-Cloud? Nextcloud als datenschutzfreundliche Alternative zu SharePoint Online
Microsoft 365 mit SharePoint Online ist zweifellos eine mächtige und weit verbreitete Plattform für Zusammenarbeit und Dokumentenmanagement in Unternehmen. Die tiefe Integration in die Office-Welt und die Fülle an Funktionen sind überzeugend. Doch spätestens seit den Diskussionen um Schrems II und die generelle Abhängigkeit von US-amerikanischen Hyperscalern stellen sich viele europäische Unternehmen die Frage: Geht das auch anders? Insbesondere unter dem Blickwinkel der DSGVO und der Hoheit über die eigenen Daten rücken Alternativen in den Fokus. Eine prominente Option: Nextcloud.
Die Unterschiede: Was kann was?
Auf den ersten Blick bieten beide Plattformen ähnliche Kernfunktionen:
- Dateispeicherung, -synchronisation und -freigabe: Das Herzstück beider Lösungen.
- Versionierung: Nachverfolgung von Änderungen an Dokumenten.
- Kollaboratives Arbeiten: Gemeinsames Bearbeiten von Dokumenten (bei Nextcloud meist über Integration von Collabora Online oder ONLYOFFICE, bei SharePoint über Microsoft 365 Apps).
- Zugriffssteuerung: Verwaltung von Berechtigungen für Benutzer und Gruppen.
Die Stärken liegen jedoch in unterschiedlichen Bereichen:
Feature | SharePoint Online (Microsoft 365) | Nextcloud |
---|---|---|
Hosting / Kontrolle | Microsoft Cloud (Public Cloud) - Daten liegen bei Microsoft (trotz EU Data Boundary bleiben Fragen) | Selbst gehostet (eigener Server) oder gehostet bei spezialisierten Anbietern (oft EU-basiert) = Volle Datenkontrolle |
Integration | Sehr tief in M365 (Teams, Outlook, Power Platform, Purview, etc.) | Modular über Apps; Integration in andere Systeme möglich, aber oft mit mehr Aufwand verbunden. |
Kernfunktionen | Dokumentenbibliotheken, Listen, Websites, Workflows (Power Automate), Co-Authoring (Office Apps) | Dateien, Kalender, Kontakte, Talk (Chat/Video), Deck (Kanban), Notizen, Kollaboration (via Collabora/OnlyOffice) |
Compliance (DSGVO) | Umfangreiche Compliance-Features in M365 (Purview), ABER: US-Anbieter, CLOUD Act/FISA-Risiken (Art. 44ff DSGVO) | Hohe Datenhoheit ermöglicht leichtere Erfüllung (Art. 5(1)(f), Art. 32 DSGVO), Open Source (Transparenz), keine US-Gesetzgebungsprobleme (bei EU-Hosting). Verantwortung liegt beim Betreiber. |
Anpassbarkeit | Konfigurierbar, aber innerhalb der M365-Plattform-Grenzen. | Sehr hoch durch Open Source und App-System. |
Kostenmodell | Lizenzbasiert (pro Nutzer/Monat), Teil von M365-Plänen. | Software kostenlos (Open Source). Kosten für Hosting, Wartung, optionalen Support. |
SharePoint Online punktet also durch die nahtlose Integration in das riesige Microsoft-Ökosystem und ausgereifte Enterprise-Funktionen im Compliance-Bereich (deren Konfiguration aber Know-how erfordert).
Nextcloud glänzt durch maximale Datenkontrolle und Souveränität. Sie entscheiden, wo Ihre Daten liegen. Als Open-Source-Lösung bietet es Transparenz und Flexibilität. Durch das App-System lässt es sich modular erweitern. Dies unterstützt die Prinzipien "Privacy by Design" und "Privacy by Default" (Art. 25 DSGVO), da Sie die volle Kontrolle über die Konfiguration haben.
Für wen eignet sich ein Wechsel zu Nextcloud über Webhosting?
Ein Wechsel oder der Einstieg mit Nextcloud ist besonders interessant für:
- Organisationen mit hohem Schutzbedarf oder strengen Compliance-Anforderungen: Unternehmen, die Wert auf maximale Datenhoheit legen und Bedenken hinsichtlich des Zugriffs durch US-Behörden auf ihre in der Microsoft Cloud gespeicherten Daten haben (Art. 44 ff. DSGVO). Dazu zählen oft Anwaltskanzleien, Arztpraxen, Forschungseinrichtungen oder Teile des öffentlichen Sektors.
- Unternehmen, die Unabhängigkeit suchen: Firmen, die einen Vendor-Lock-in vermeiden und auf transparente Open-Source-Technologie setzen möchten.
- Organisationen mit IT-Know-how oder Bereitschaft für Managed Hosting: Nextcloud erfordert (bei Selbsthosting) technisches Wissen für Installation, Wartung und Absicherung (Art. 32 DSGVO). Alternativ gibt es viele spezialisierte Anbieter in Deutschland/EU, die Nextcloud als gemanagten Service anbieten – hier ist dann ein Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV) nach Art. 28 DSGVO nötig.
- Unternehmen, für die die M365-Integration nicht kritisch ist: Wenn die Kernfunktionen Dateisynchronisation, -freigabe und grundlegende Kollaboration im Vordergrund stehen und die tiefe Verzahnung mit allen M365-Diensten nicht benötigt wird.
- Preissensible Organisationen (unter Vorbehalt): Nextcloud kann günstiger sein, erfordert aber eine genaue TCO-Betrachtung (Total Cost of Ownership), die Hosting-, Wartungs- und Supportkosten einschließt.
Kann man Daten aus SharePoint Online nach Nextcloud migrieren?
Ja, aber... Die Migration ist technisch möglich, stellt jedoch oft eine Herausforderung dar:
- Dateien und Ordner: Das ist meist der einfachste Teil. Über Synchronisations-Clients (OneDrive auf dem PC -> Nextcloud Client auf dem PC) oder spezielle Migrationstools lassen sich die reinen Dateistrukturen oft übertragen.
- Metadaten & Versionen: Die Übernahme von SharePoint-Metadaten oder detaillierten Versionshistorien ist komplex und oft nur teilweise oder gar nicht möglich.
- Listen, Websites, Berechtigungen: Komplexe SharePoint-Strukturen wie Listen, Team-Websites oder feingranulare Berechtigungsmodelle lassen sich in der Regel nicht 1:1 nach Nextcloud migrieren. Hier muss man oft Prozesse neu denken und in Nextcloud anders abbilden.
- Workflows (Power Automate): Diese sind M365-spezifisch und können nicht migriert werden. Äquivalente Prozesse müssten in Nextcloud (z.B. mit Nextcloud Flow) neu aufgebaut werden.
Fazit zur Migration: Eine Migration ist eher ein Umstieg mit Neuaufbau als ein nahtloser Übergang. Sie erfordert sorgfältige Planung, potenziell externe Werkzeuge und die Bereitschaft, gewohnte Arbeitsweisen anzupassen. Es ist auch eine gute Gelegenheit zur Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) – nicht alles muss mit umziehen.
Open Source (Nextcloud) vs. Kosten (SharePoint Online)
- SharePoint Online: Klare, planbare Lizenzkosten pro Benutzer, die aber bei vielen Nutzern und Premium-Features erheblich sein können. Inkludiert Infrastruktur, Wartung und Basis-Support durch Microsoft. Der Datenschutz wird durch Microsofts Standardbedingungen und DPA (AVV nach Art. 28 DSGVO) geregelt, die Sie akzeptieren müssen.
- Nextcloud: Die Software selbst ist kostenlos. Kosten entstehen für:
- Hardware/Hosting (eigene Server oder Miete bei einem Provider).
- Installation, Konfiguration, Wartung (interner Aufwand oder Kosten für Dienstleister/Managed Service).
- Optionaler Enterprise Support von Nextcloud GmbH oder Partnern.
- Die Gesamtbetriebskosten (TCO) müssen individuell kalkuliert werden. Sie können niedriger sein, aber der initiale und laufende administrative Aufwand (bei Selbsthosting) ist höher. Bei Wahl eines EU-Hosters benötigen Sie einen AVV mit diesem (Art. 28 DSGVO).
Datenschutz im direkten Vergleich:
Der Hauptvorteil von Nextcloud liegt in der Datenkontrolle. Wenn Sie es selbst oder bei einem vertrauenswürdigen europäischen Anbieter hosten, umgehen Sie die komplexen Fragen des Drittlandtransfers (Art. 44 ff. DSGVO) und potenzieller Zugriffe durch US-Behörden, die bei SharePoint Online trotz EU Data Boundary bestehen bleiben. Sie sind jedoch selbst vollumfänglich für die Sicherheit (Art. 32 DSGVO) und die Einhaltung der DSGVO verantwortlich. SharePoint Online nimmt Ihnen hier viel ab, aber Sie geben die Kontrolle ab und müssen auf die Zusicherungen von Microsoft vertrauen.
Zusammenfassend:
Die Entscheidung "SharePoint Online oder Nextcloud?" hängt stark von Ihren Prioritäten ab. Benötigen Sie die tiefe M365-Integration und können mit den Datenschutz-Implikationen einer US-Cloud leben (oder diese durch aufwändige Konfiguration in Purview etc. mitigieren)? Dann ist SharePoint eine starke Wahl.
Legen Sie jedoch höchsten Wert auf Datenhoheit, Transparenz (Open Source) und die Vermeidung von US-Cloud-Abhängigkeiten, ist Nextcloud eine exzellente und mächtige Alternative – vorausgesetzt, Sie haben die Ressourcen für Hosting und Management oder wählen einen passenden Managed-Service-Anbieter in der EU. Der Weg "Raus aus der US-Cloud" ist mit Nextcloud machbar, erfordert aber Planung und Engagement.
